Masamichi Noro - Begründer des Kinomichi

Meister Masamichi NORO präsentierte seine eigene Bewegungsmethode, das KINOMICHI, erstmals 1979 in Paris. Er war einer der wenigen im Dojo lebenden Schüler (uchi-deshi) des Aikidobegründers Meister Morihei UESHIBA.

Jugend und Begegnung mit Aikido

Am 21. Januar 1935 in Aomori in Japan geboren, verbrachte er seine Jugend in einem kulturell anregendem familiären Umfeld. Die klassische westliche Musik hatte es ihm besonders angetan und prägte früh seine Sensibilität. Schon in der Schule hatte er Kendo und Judo praktiziert. Seine Familie erwartete aber, dass er einmal das väterliche Bauunternehmen übernehmen würde.

1955, kurz nachdem er begonnen hatte, Medizin zu studieren, machte er die Bekanntschaft Meister Ueshibas. Diese erste Begegnung hinterließ einen so tiefgreifenden Eindruck, dass er beschloß, alle sonstigen Vorhaben aufzugeben, in das Dojo des Meisters einzutreten und dessen persönlicher Schüler zu werden. Er lebte von da an Tag und Nacht in der Nähe des Meisters.
Von 1955 und 1961 begleitete er Meister Ueshiba auf allen Reisen und immer wieder in sein Sommer-Dojo nach Iwama. Zu dieser Zeit gab es nur wenige persönliche Schüler, die im Dojo des Meisters leben durften. Diese Generation wird später die weltweite Entwicklung des Aikido entscheidend prägen.

Verbreitung des Aikido

1961 entsendet Meister Ueshiba ihn als offiziellen Delegierten des Aikido für Europa und Afrika.
Er verläßt Yokohama mit dem Schiff und kommt am 3 September 1961 in Marseille an. Die Anfänge in Frankreich sind schwierig. Aikido ist damals noch weitgehend unbekannt. Er engagiert sich zunächst vor allem in der Gegend um Cannes und Nîmes. Kurze Zeit später folgen Einladungen nach Italien, Belgien, Irland, Schottland und Marokko. Er eröffnet innerhalb kürzester Zeit über 200 Dojos in ganz Europa und Afrika. Es ist die große Zeit der Aikidopioniere in Europa.

1964 läßt er sich in Paris nieder. Die Namen seiner damaligen Dojos sind heute legendär unter Aikidokas: Dojo de la Gare du Nord und später in der rue Constance. Die Aufgabe ist riesig aber er hat auch einen beispiellosen Erfolg, der jedoch wenig später dramatisch überschattet wird. Am 4. Mai 1966 verunglückt er auf einer Reise mit seinem Sportwagen. Die Verletzungen sind so schwer, dass man ihm prophezeit, er werde nie wieder Aikido machen können und auch niemals Kinder haben. Seine Reha-Behandlung nimmt mehrere Monate in Anspruch. Erst nach und nach gewinnt er seine alte Energie zurück und nimmt seinen Lehrtätigkeit wieder auf. Später wird er mit seiner Frau Odyle Noro-Tavel noch sechs Kinder haben.

1969 wird ein Jahr voller einschneidender Ereignisse. Zunächst erreicht ihn die Nachricht vom Tod Meister Ueshibas. Kurz darauf begegnet er Meister Taisen Deshimaru, einem Meister der Schule des Soto-Zen sowie wenig später auch Karlfried Graf von Dürckheim, den er später als seinen westlichen spirituellen Vater bezeichnen wird. Weitere fruchtbare Begegnungen folgen, u.a. 1970 mit Marie-Thérèse Foix und Gisèle de Noiret, zwei Physiotherapeutinnen, die durch ihre Arbeit  auch an der Entwicklung des Kinomichi Anteil haben werden. Sie machen ihn mit neuen Ideen und Konzepten bekannt, er experimentiert mit verschiedenen im Westen entstandenen Körpertechniken und gewinnt viele neue Einsichten.

1972 bezieht er mit dem “Institut Noro” neue Räume in der rue des Petits-Hôtels (Paris 10e). Um den gesetzlichen Anforderungen in Frankreich nachzukommen, erwirbt er für sich und die bei ihm tätigen Lehrer das staatliche Diplom für Judo und assoziierte Kampfkünste – "option Aikido".

Entstehung seiner eigenen Methode - KINOMICHI

1979, nach einer Auseinandersetzung mit dem "Doshu" Kisshomaru Ueshiba, dem Sohn des Aikidobegründers, zieht er sich offiziell vom Aikido zurück und nennt seine Methode nun „Kinomichi“, wörtlich „Weg der Energie“. Zur selben Zeit begegnet er Frau Dr. Lily Ehrenfried, mit der er eine intensive Freundschaft pflegt und die sieben Jahre in seinem Dojo ihre Methode unterrichten wird. Nach und nach wird er eine ganze Reihe ihrer Techniken in seine Arbeit integrieren.

1983 eröffnet er das Centre Masamichi Noro in der rue Logelbach (Paris 17e). Zwei Jahre später, 1985, präsentiert er anläßlich der Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Aikikai Deutschland erstmals Kinomichi vor einer Gruppe hochrangiger Aikidomeister und dem "Doshu" Kisshomaru Ueshiba.

1991 entsteht das „Centre International NORO KINOMICHI“ im Dojo de la Fontaine, Bd. De Strasbourg (Paris 10e). Er findet hier eine neue Plattform Kinomichi zu unterrichten und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Ab 1996 besucht er auch wieder regelmäßig das Honbu Dojo des Aikido in Tokyo und trifft dort immer wieder den "Doshu" Kisshomaru Ueshiba.

Im Jahre 2000 zieht das Centre International erneut um. Zu Ehren seiner im selben Jahr verstorbene Mutter nennt er dieses Dojo am Bd. des Batignolles (Paris 17e) „Korindo Dojo“- Dojo des Lichts.

2001 wird Kinomichi vom französischen Ministerium für Sport und Gesundheit als eigenständige sportliche Disziplin anerkannt und kurz darauf entsteht die KIIA (Kinomichi Instructors International Association), ein internationaler Verband, der alle autorisierten Kinomichilehrer versammelt. Schon kurz nach der Gründung wird die KIIA Mitglied in der Fédération Française d’Aikido Aikibudo et Affinitaires ( FFAAA, 11 rue Jules Vallès, Paris 11 e). Anläßlich der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum der FFAAA 2004 kommt der neue "Doshu " Moriteru Ueshiba, der Enkel des Begründers, nach Paris und wird dabei von den Meistern Masamichi Noro, Nobuyoshi Tamura und Christian Tissier sowie über 3000 Aikidopraktizierenden empfangen.

Meister Noro und Christian Tissier finden sich im April 2005 in Nanterre erneut zu einem gemeinsamen Benefiz-Lehrgang zu Gunsten der Opfer des Tsunami vom 26. Dezember 2004 zusammen.

2007, anläßlich des Kongresses des Weltaikidoverbandes FIA in Paris, empfängt er auf Initiative der FFAAA im Korindo Dojo verschiedene japanische Meister, darunter den "Doshu " Moriteru Ueshiba und Isoyama Sensei. Er sieht darin eine Versöhnung mit seinen Ursprüngen. Täglich erinnert er seine Schüler nun wieder daran, dass sich die Entwicklung des Kinomichi aus den Aikidotechniken Meister Ueshibas speist und dort seine tiefen Wurzeln hat.

Weiterentwicklung des Kinomichi

Die Entwicklung des Kinomichi in den 80- und 90-iger Jahren steht ganz im Zeichen der Verfeinerung der Sensibilität und der Arbeit am Körper als einem Wahrnehmungsinstrument. Wahrnehmung seiner selbst, des Gegenüber, der Welt, sowie Wahrnehmung einer adäquaten, entspannten Körperhaltung unter Respektierung der funktionellen anatomischen Gegebenheiten des Einzelnen.
Nach dieser Phase intensiver Recherche und  Neujustierungen entwickeln sich ab 1996 wieder tiefere Verbindungen zwischen dem Kinomichi und dem Aikido.  Größere Dynamik, höhere Schwierigkeitsgrade und ein mehr an Freiheit und Variationsmöglichkeiten kennzeichnen die technische Vielfalt dieser neuen Phase. Jedes Niveau gewinnt seinen tieferen Sinn erst im Übergang zum darauf folgenden. Die innere Logik dieses Aufbaus wird dem Übenden erst im Rückblick richtig deutlich und Fortschritte  stellen sich fast von selbst ein.

Nachdem er im Studium der Ki-Kraft, der Atemkraft und der Aikidotechniken die Grundlagen seiner Kunst gelegt hatte, forderte er seine Schüler und Instrukteure dazu auf, sich nun auf das Studium des Shin, der Herzensenergie, zu konzentrieren. Erst die Summe dieser Elemente bilde die Essenz der Lehre Meister Ueshibas.  Damit blieb er bis zuletzt dem Vorbild seines Meisters treu, der auch niemals aufgehört hatte, seine Kunst zu vervollkommnen.

Meister Masamichi Noro stirbt am 15.3.2013 im Alter von 78 Jahren in Paris.

2018 geht sein großer Wunsch  in Erfüllung. Das Kinomichi findet als eigenständige Disziplin Anerkennung und Aufnahme im französischen Aikido-Verband FFAAA und auch international Anerkennung durch Mitgliedschaft in der DNBK (Dai Nippon Butokukai).

Nachruf und Hommage von:
A. Lange-Böhm
Pascal Olivier

Hommage für Meister Noro

Der Lebenskreis eines der größten Meister der Kampfkunst hat sich geschlossen. Seine Kunst war das Aikido aus dem er seit 1979 kontinuierlich seine eigene Kunst, die Methode Noro-Kinomichi oder schlicht „Kinomichi“ entwickelte.